Selten hat ein Produkt so viel Licht und Schatten in mein Leben gebracht wie das iPhone. Eine immer größer werdende Liste an Ärgernissen hat mir die bunte Apfelwelt für immer verschlossen – zumindest aus der Sicht eines Business-Nutzers. Dieser Artikel beschäftigt sich mit meinen Erfahrungen mit dem iPhone 3GS/4G und Berichten von Freunden und Kollegen, die iPhones verwenden. Geschrieben habe ich ihn innerhalb der letzten Monate, immer dann, wenn mich etwas gestört hat.
iTunes – so nützlich wie ein guter Schnupfen.
Langsam und unübersichtlich
Kein anderes Programm ist auf dem PC langsamer als iTunes. Selbst mit hochgerüsteten SSD-Maschinen kann ich mit der Geschwindigkeit des Programms nicht leben. Auf dem Mac ist es etwas schneller. Klar. Das Problem der Unübersichtlichkeit ist dennoch immer präsent. Es fängt damit an, dass alle Künstler von Kompilationen in der Künstlerübersicht angezeigt werden und hört damit auf, dass man mit einem falschen Klick bereits ein ganzes Album nachkauft, obwohl man nur einen Song haben wollte. iTunes ist schlichtweg »Apple-untypisch« (und jeder, der mich bisher vom Gegenteil überzeugen wollte, soll sich ehrlich überlegen, wie lange er das Programm schon nutzt und wie oft er Google bemüht hat, um Probleme zu lösen). Ich habe in den ersten Wochen aufgegeben.
Kreditkarteninfo vor Inbetriebnahme ein MUSS:
Natürlich ist das Einkaufen im Store somit scheinbar unkompliziert – warum muss ich vor einem Kauf aber schon diese Informationen hinterlegen? Direkt zu Beginn mit solchen Geschäftsmethoden konfrontiert zu werden hat mich irritiert.
Usability-Probleme des Telefons
Benachrichtigungstöne für E-Mail und SMS lassen sicht NICHT personalisieren.
Was für Klingeltöne mit einigem Aufwand möglich ist, kann man bei den restlichen Ereignissen glatt vergessen. Was ist das für eine dämliche Situation, wenn 20 Menschen in einem Raum gleichzeitig nach dem Mobiltelefon greifen, nur weil Apple die Personalisierung der Signaltöne verbietet und die Unterscheidung somit unmöglich macht? Absolut unverständlich.
Akku
Der Akku hält einen Tag, wenn das iPhone als Business-Maschine Verwendung findet. Wer damit nicht klarkommt, sollte sich ein Aufsteck-Akkupack holen, oder lieber ein Telefon mit kleinem Display verwenden. Das muss einem aber auch der gesunde Menschenverstand sagen und ist kein wirkliches Manko vom iPhone, sondern generell ein Problem mit großen Displays… Großes Manko des iPhone: Man kann den Akku nicht tauschen.
Adobe Flash
Es ist die größte Unverschämtheit aus Usersicht, dass, aus welchem Grund nun auch immer, Flash nicht auf dem iPhone läuft. Zu viele Seiten auf die man als Agenturmensch angewiesen ist, basieren auf Flash. »Such mal die Telefonnummer deines Ansprechpartners mit einem iPhone auf einer Flash-Site wenn Du Stress hast, lieber Steve Jobs.« Klar gibt es immer andere Möglichkeiten und man findet einen Weg. Von einer Firma, die das Wort Usability in die Unterhosen der Mitarbeiter stickt, erwarte ich aber mehr.
Kamerataste bei Selbstportraits
Mit der Liebsten ein Erinnerungsfoto am Strand machen? Nur was für geübte Finger. Anscheinend soll man keine Selbstportraits machen dürfen – eine eigene Taste für die Kamera hätte auch den Vorteil gehabt, dass man die Kamera-App damit umgehend starten könnte.
Gesprächsabbrüche nach Software-Update
4.0 hieß das Firmware-Update, das für Gesprächsabbrüche bei mir und meinem Kollegen gesorgt hat. nach 5–8 Minuten startet das iPhone einfach neu. Nach zehn (!) Abbrüchen habe ich ein wichtiges Telefonat verschieben müssen. Zurecht Gelächter auf Kundenseite. Die Probleme sind bekannt und treten auch nach der Aktualisierung auf iOS 4.01 auf.
Sim-Karte sperrt sich, (W-LAN‑)Netzwerkfehler, Bluetooth-Headsets mit Roboterstimme
Mein iPhone meldet häufig: »Gesperrte SIM-Karte« und verliert die W-LAN Konnektivität von Zeit zu Zeit. Mein Kollege berichtet von einem immer gleichen Fehler »Kein Netzwerk verfügbar.«, wenn er unterwegs ist bei seinem iPhone 3GS. Mit meinem Nokia Bluetooth-Headset (BH-602) habe ich ein seltsames Phänomen festgestellt: Beim Verbindungsaufbau mit einem iPhone 3GS habe ich zunächst keine Probleme. Nach der zweiten Kopplung wird meine Stimme dann aber zu einer Roboterstimme – auch die meines Gesprächspartners. So getestet mit 2 verschiedenen iPhones. Mit anderen Mobiltelefonen funktioniert das Headset dagegen einwandfrei. Einzelfall oder Firmenpolitik? Würde mich mal interessieren, ob die Probleme auch bei weiteren iPhone-Usern auftreten.
Der 20MB Download‑»Bug«
Man ist unterwegs, braucht dringend das Navi und hatte morgens im Hotel alle Apps aktualisiert. Oha. Navigon lädt nicht, funktioniert selbst nach einem Neustart des Telefons nicht, sondern zeigt »Warten« an. Grund: Mehr als 20MB Daten zieht das iPhone nur über den heimischen PC oder über W-LAN. W-LAN hatte es aber doch daheim, laut Anzeige auf dem Display…? Lösung: Andere Drecks‑Navigations-App runterladen und irgendwie doch den Weg finden. Google Maps hilft am Ende auch noch. Zuhause Navigon updaten. Teile vom Lenkrad vom Zahnarzt aus den Vorderzähnen ziehen lassen.
Firmenpolitik
Keine Stromversorgung mit „altem“ Zubehör
Apple hat im Standard-Stecker fürs iPhone sowohl USB‑ als auch FireWire-Pins verbaut. Anfangs lief die Stromversorgung über die Firewire-Pins. Mit einem Software-Update des iPhone wurden die Pins umgelegt. Resultat: Nur noch neue Geräte/Docks können iPhones mit Strom versorgen. Alte Anlagen, z.B. von BOSE (~800 Euro) laden das iPhone nun nicht mehr, wenn man es aufsteckt und melden »Dieses Zubehör wurde nicht für die Verwendung mit dem Iphone entwickelt…« Danke Apple. (Georg regt sich auf | Apples simples Statement)
Antennenproblematik und Hetze gegen Mitbewerber
Natürlich kann man Mobiltelefone einfach vom Netz trennen, indem man sie mit der Hand umschließt. Was Apple beim 4G gemacht hat, kann man als »Konstruktionsfehler« bezeichnen (Praxistest). Die angeblichen Beweisvideos über Mobiltelefone der Mitbewerber im Anschluss waren ein PR-Armutszeugnis. Von Apples Marketingabteilung hätte ich mehr erwartet – insbesondere, weil Sie mich in der Vergangenheit oft begeistert hat.
Fazit
Um es kurz zu machen: Mein nächstes Mobiltelefon wird kein Telefon von Apple sein. Schade. Alle Welt reagiert hysterisch, wenn ich als Usability-Fan erkläre mein iPhone abzugeben. »Ich kauf es Dir sofort ab.« ist meist der erste Spruch. Man sieht daran einfach, wie gut das Marketing von Apple – wie stark allein die Marke ist.
Der Produktnutzen ist in erster Linie nur noch ein Geltungsnutzen, nicht mehr ein Funktionsnutzen. Warum schreibe ich das? Ich bin in höchstem Maße genervt von einem Telefon, das in den Standard-Business-Situationen versagt. Das darf einfach nicht passieren. Zudem gehen mir Menschen auf den Geist, die eine fanatische Liebe zu einer Marke entwickeln, die inzwischen nicht mehr mit der technischen Überlegenheit des Produktes erklärbar ist. Auf das 4G hatte ich mich gefreut, weil ich nach den Strapazen mit dem 3GS auf ein kleines Umdenken gehofft hatte. Leider scheint der Verkauf von Inhalten gerade wichtiger zu sein als die Entwicklung einer zuverlässigen Plattform.